„Wir haben gezeigt, dass wir kein Anhängsel der USA sind.“, stellt Sergey Lagodinsky, Mitglied des Europäischen Parlaments (Die Grünen/Europäische Freie Allianz) fest. Beim Neujahrsempfang am 08. Januar 2023 der Europa-Union-Havelland spricht der 47-Jährige leidenschaftlich zu den rund 80 Gästen. Seit 2019 sitzt er für B90/Die Grünen im Europäischen Parlament. Man merkt ihm seine Begeisterung deutlich an. Die Krisen hätten gezeigt, dass die EU als Institution handlungsfähig ist. Viel habe trotz der teilweise schwierigen Gespräche funktioniert, die EU habe eine stabilisierende und koordinierende Funktion. „Wir haben gezeigt, dass wir eine gemeinsame Linie finden und vertreten können. Das war die Stunde der EU!“, ruft er.
Natürlich weiß der promovierte Rechtsanwalt um die Herausforderungen, denen sich die EU stellen muss und benennt sie: Der Ukraine-Krieg hält derzeit alle in Atem. „Es ist richtig, dass wir nach langen Diskussionen endlich Waffen geliefert haben.“, stellt Lagodinsky klar. Nach Kriegsende müssen alle Strukturen auf den Prüfstand und ggf. neu aufgestellt werden, um Ineffizienzen und Fehlsteuerungen abzuschaffen . Das betrifft das europäische und internationale Rechtssystem genauso wie die das Wirtschafts- und Finanzsystem. „Hier muss Deutschland vorangehen.“, fordert Lagodinsky ganz explizit vom Bundeskanzler. „Andernfalls verliert Deutschland weiter an Ansehen und Stärke.“
Mindeststandards für NGOs
An vielen Stellen sieht der Europapolitiker Reformbedarf. „Wir brauchen ein Umdenken.“, sagt er. Die zentrale Frage sei, was die EU ist und sein wolle. Die EU spielt zunehmend eine Rolle als als geostrategischer Akteur. Das zeigen die jüngsten Entwicklungen. Die EU müsse aber lernen, diese Rolle auch anzunehmen und damit umzugehen.. Denn damit drohe die Gefahr, dass die zentralen Werte unter die Räder kommen. Als wichtige Stütze für eine werteorientierte Politik betrachtet er deshalb Nichtregierungsorganisationen (NGOs). „Wir müssen die Zivilgesellschaft stärken.“, so die klare Forderung Lagodinskys.
Nonnemacher: Abhängigkeit von China muss gesenkt werden
Auch Ursula Nonnemacher, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz, sprach von den Herausforderungen der EU. Dass Europa und vor allen Dingen Deutschland die Abhängigkeit von russischem Gas deutlich verringern muss, ist spätestens seit Kriegsausbruch mehr als deutlich. Weniger Abhängigkeit, das gelte allerdings auch in anderen Bereichen und in Bezug auf andere Staaten.Auch die Abhängigkeit vom Produktionsstandort China sei sehr problematisch. Als Gesundheitsministerin nannte sie Beispiele aus dem Pharmabereich. Dort bestehe bei Hustenstillern, Antibiotika, Blutdrucksenkern und anderen Arzneien eine gefährlich hohe Abhängigkeit von China. „Hier müssen wir dringend die Produktion wieder nach Europa verlagern.“, sagt sie.
Brandenburg profitiert von Europa
Nonnemacher kam in ihrer Rede auf viele positive EU-Projekte im Gesundheitsbereich in Brandenburg zu sprechen. Exemplarisch nannte sie das Naëmi-Wilke-Stift in Guben. Die Klinik arbeitet über die Landesgrenzen hinaus und versorgt sowohl polnische als auch deutsche Patienten. Dies wurde möglich dank der Unterstützung durch europäische Fördergelder.
Aus dem Europäischen Sozialfonds stehen für Brandenburg bis 2028 über 15 Millionen Euro zur Bekämpfung der der Kinderarmut zur Verfügung. Nonnemacher hob außerdem den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) hervor, von dem Brandenburg überproportional profitiere.
Ausklang bei Pfannkuchen und Gesprächen
Im Anschluss hatten die Mitglieder und Gäste noch reichlich Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. Davon wurde bei lecker belegten Pfannkuchen und Getränken reichlich und angeregt Gebrauch gemacht. Viele Politiker:innen waren der Einladung der Europa-Union-Havelland gefolgt. Neben Nonnemacher und Lagodinsky waren die Vizepräsidentin des Landtags, Barbara Richstein (CDU) sowie die Landtagsabgeordneten Johannes Funke (SPD) und Heiner Klemp (B90/Grüne) anwesend.
Außerdem waren alle Bürgermeisterkandidat:innen aus Falkensee der Einladung nach Elstal gefolgt und standen weit über den offiziellen Teil hinaus im persönlichen Gespräch Rede und Antwort. Vormerken: Am 21. März 2023 veranstaltet die EU-HVL um 19 Uhr in der Stadthalle Falkensee eine Podiumsdiskussion zur Bürgermeisterwahl. Alle Kandidat:innen haben bereits zugesagt.
„Das Havelland mag weit weg sein von Brüssel. Aber trotzdem sind wir hier mitten in Europa. Wir als Europa-Union HVL wollen deshalb das Bewusstsein für europapolitische Themen schaffen und gleichzeitig die Möglichkeit eröffnen, dass Bürger:innen und Entscheidungsträger ganz unbefangen zu diesen Themen miteinander diskutieren können.“, sagte Hans-Ulrich Benra. Der stellvertretende Vorsitzende der EU-HVL moderierte den Neujahrsempfang. „Ich glaube, das ist uns auch dieses Jahr wieder gelungen.“